Manfred Rüster
Belletristik
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Leseprobe
Fahr zum Himmel, Killer!
(Arbeitstitel)
von Manfred Rüster
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Der Auftrag schmeckt nach wildem Westen: Der Auftraggeber trägt ein Cowboy Kostüm, riecht ein
bisschen nach Pferdeschweiß und möchte, dass Hektor Renz vier Millionen Dollar von Prag nach München
transportiert. Zwar gibt es Ungereimtheiten -, aber fünftausend Dollar Honorar für einen Tag
Autofahrt sind zu verlockend.
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Auf dem Weg vom Parkplatz ins Büro traf ich Jonas. „Wie viel hast du geladen?", fragte ich. „Knapp vierhunderttausend.“ Jonas war mein Partner. Zusammen betrieben wir die Firma REKO, die mit Werttransporten, Sicherheitsdiensten, Objekt- und Personenschutz ihr Geld verdiente. Jetzt begann Jonas’ Schicht. Zusammen mit dem Kollegen Rubens würde er verschiedene Banken und Kaufhäuser anfahren, um Geld zu liefern oder abzuholen. Ein riskanter Job – trotz gepanzertem Transporter und GPS-Überwachung. „Wann kommst du zurück?“, fragte ich. „Gegen zwölf.“ Das passte. Ich hatte fast eine Stunde Verspätung, aber meine Tour begann erst um halb eins. Bis dahin hatte ich Zeit, mich um den täglichen Papierkram zu kümmern. Als ich das Büro betrat, steckte mir Gigi, meine Sekretärin, eine Visitenkarte zu. „Ein neuer Kunde. Er wartet seit einer halben Stunde. Er ist im Besucherzimmer.“ Der Mann trug mit Silbernägeln verzierte Lederstiefel, Jeans, eine Wildlederjacke mit Fransen an den Ärmeln und Taschenklappen, ein beige-blau kariertes Hemd sowie einen breitkrempigen Hut. Er verbreitete den dezenten Duft nach Leder, gemischt mit einem Touch Pferdeschweiß. Mit rauer Stimme sagte er: „Hi, Mister Renz! Nice to meet you!“ Ich gönnte mir ein paar Sekunden Überraschung, weil sich ein Cowboy in mein Münchner Büro verlaufen hatte, und antwortete: „Guten Tag, Herr …“ Ich las die Visitenkarte, die Gigi mir gegeben hatte, und erwartete, dass John Wayne drauf stand. Noch bevor ich den Namen lesen konnte, sagte er: „Ragland. Mike Fitzgerald Ragland.“ Er hielt mir seine rechte Hand entgegen. Ich ergriff sie und erlebte den Händedruck eines Mannes, der schon einer Herde widerborstiger Rinder seinen Willen aufgezwungen hatte. „Tut mir leid, dass Sie warten mussten“, sagte ich. „Wenn ich gewusst hätte…“ Er wischte mit einer Handbewegung durch die Luft. „Doesn’t matter.“ Ich bat ihn in mein Büro. Er angelte mit dem Fuß ein Bein des Besucherstuhles, zog ihn heran und setzte sich. Während ich in meinem Sessel zurechtrückte, musterte ich sein gut gebräuntes Gesicht. Von den Augen ausgehend liefen tiefe Krähenfüße wie die Strahlen einer Jakobsmuschel über die Schläfen, und derbe Falten zwischen Nase und Mund umklammerten die großen Nasenflügel und die blassen Lippen. Noch bevor ich die Floskel „Was kann ich für Sie tun?“ auf die Lippen brachte, setzte er ein Cheese-Lächeln auf und schnarrte: „Kommen wir gleich zum Business! – Sind Sie in der Lage, vier Millionen Dollar in bar von Prag nach München zu transportieren?“ „In welcher Stückelung?“, fragte ich, um mir ein Bild über den Umfang der Fracht zu machen. Er schob seinen texanischen Cowboyhut mit dem Zeigefinger ein paar Zentimeter nach hinten. „Es sind überwiegend Ein-Dollarscheine. Der Rest sind Fünf-Dollarscheine.“ „Die ganzen vier Millionen?“ Er lächelte über mein dummes Gesicht und sagte: „Ich deale in Osteuropa. Auf Dollarbasis. Ich nehme nur kleine Scheine. Den großen darf man nicht trauen. Zu viel Falschgeld.“ Er sprach fehlerfreies Deutsch mit leichtem Akzent. „Vier Millionen in bar – das wird Probleme geben“, sagte ich und dachte an das Gesetz über Geldwäsche. „Don’t worry, it’s quite legal! – Mein Prager Rechtsanwalt hat sich um alle tschechischen und deutschen Papiere gekümmert. Sie brauchen die Dollar nur aufladen und nach München fahren.“ „Vier Millionen. – Ist das nicht ein Haufen Papier?“ Er kniff die Augen zusammen und zog den Mund breit. „Drei Kisten voll. Ich wäre selbst gefahren. Die Versicherung war dagegen. Sie verlangt einen professionellen Transporteur. Außerdem ist mein Wagen zu klein. Deshalb kriegen Sie den Job. Ich zahle dafür fünftausend Dollar. – I guess, you don’t have any questions?“ Questions hatte ich sehr wohl – zum Beispiel, weshalb er das Geld nicht bei einer Prager Bank einzahlte –, aber questions hätten vielleicht den Auftrag in Frage gestellt. Also hielt ich den Mund, denn fünftausend Dollar sind ein Geldsegen für meine junge Firma. Wir fertigten den Vertrag aus, er unterschrieb mit großen, einen halben Zoll hohen Buchstaben und legte zweieinhalbtausend Dollar in bar auf den Tisch. Die zweite Rate bekam ich nach Ablieferung der Kisten in der Münchner Bank. Aus einer Laune heraus fragte ich: „Wie sieht’s mit der zweiten Rate aus, wenn was dazwischen kommt?“ Er verzog den rechten Mundwinkel zu einem halbseitigen Lächeln. „Wenn die Versicherung zahlt, zahle ich auch. Ansonsten …“ Er zuckte mit den Schultern. Dieser Passus fehlte in unserem Vertrag, dennoch verzichtete ich auf die schriftliche Ergänzung. Ich würde dafür sorgen, dass meine Postkutsche schneller war als die Gäule meiner Verfolger. Als er mir bei der Verabschiedung die Hand reichte, griff
ich vorsichtig zu. Ich brauchte meine gesunden Finger, um mir über
das gute Geschäft die Hände zu reiben. Mit geschlossenen Augen
lauschte ich, wie draußen im Treppenhaus die Kappen- und Ferseneisen
seiner beschlagenen Stiefel auf den Stufen knallten. Jede Woche so
ein Kunde, und REKO wäre im Handumdrehen saniert.
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Wenn die Komantschen im Wilden Westen auftauchten, kamen sie in Horden, schrien und schossen mit Pfeilen.
Heutzutage kommen sie zu Zweit, benehmen sich einigermaßen manierlich und sprechen Deutsch. Davon sollte man
sich nicht täuschen lassen ...
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Wir waren zu Dritt: mein Kollege Pit Rubens, Pavel Volny, den mir Mike Ragland als Begleiter aufgedrängt hatte, und ich. Ich drückte auf den Knopf der Gegensprechanlage, welche die Fahrerkabine und die hermetisch abgeschlossene Ladefläche verband. Dort saß Pit Rubens und leistete den Millionen Gesellschaft. „Pinkelpause“, sagte ich. „Nächste Gelegenheit frühestens in zwei Stunden.“ „Ich komme!“ Rubens ging als erster. Als er zurückkam, brummte er: „Scheiß Oktoberwetter! Bei der Kälte friert dir ja
der Pimmel beim Pinkeln ab. Wenn du nichts dagegen hast, verkriech ich mich wieder ins Warme.“ Er kletterte
auf die Ladefläche und verriegelte sie von innen.
Der Mann mochte vierzig Jahre alt sein. Auf der rechten Backe hatte er eine halbkreisförmige Narbe. Er trug ein Baseballkäppi mit den Buchstaben En und Ypsilon, eine Lederjacke und schwarze Jeans. Aus der Hosentasche lugten die Finger schwarzer Handschuhe. Meine Sinne waren plötzlich auf Alarm eingestellt. Woher wusste der Mann meinen Namen? Argwöhnisch fragte ich: „Was wollen Sie?“ Breitbeinig stellte er sich vor mich hin. „Kennen Sie Sahin Türk?“ Natürlich kannte ich Sahin Türk! Er war ein Mitarbeiter unserer Firma für Werttransporte, Sicherheitsdienste, Objekt- und Personenschutz. „Sahin Türk steckt in verdammten Schwierigkeiten“, sagte das En-Ypsilon-Käppi.. „Er möchte Sie dringend sprechen.“ Sahin in Schwierigkeiten ...? Ich fühlte in den Schläfen, wie mein Blutdruck stieg. Mein Atem ging flacher. Der Mann nahm ein Handy aus der Jackentasche, tippte darauf herum und hielt es mir entgegen. „Sie brauchen bloß zu sprechen.“ Ich nahm den Apparat und hielt ihn ans Ohr. „Hallo, Sahin! Was ist mit dir los?“ „Sind Sie Renz?“, fragte eine fremde Stimme. „Wer sind Sie? Ich denke, Sahin Türk ...“ „Bin bloß der Vermittler“, unterbrach der Fremde. „Ein Sekündchen Geduld ...“ Einen Augenblick später hörte ich Sahins Stimme. „Chef? – Bist du dran?“ „Was ist los? Wer war gerade am Apparat?“ „Sie haben mich gekidnappt!“ Ich schluckte. In meinem Kopf purzelten etliche Gedanken durcheinander. Kaum hatte ich einen herausgepickt, um ihn zu Ende zu denken, wurde er von einem anderen beiseite geboxt. - Bloß keine Panik!, befahl ich mir selbst und wusste doch, wie lächerlich das war. Wir sprachen ähnliche Situationen einmal pro Woche durch und berieten, wie wir uns verhalten sollten. Bei einem Überfall gibt es nur eine vernünftige Lösung: so wenig Widerstand wie möglich leisten! Man weiß ja nie, wie weit die Banditen zu gehen bereit sind. Aber Theorie und Praxis sind zwei Paar Stiefel. Vor allem, wenn das Adrenalin in die Blutbahn schießt. Ich pfiff auf die Vernunft und erklärte den Entführern den Krieg. „Sag mir, wo du bist!“, raunte ich ins Mikrofon. „Ich hetze die Polizei ...“ „Nein! Bitte nicht!“, flehte er. „Sie sind ja so brutal. Sie haben mich gefesselt und mir einen Betonbrocken an die Füße gebunden. Sie wollen mich in die Isar werfen, wenn du nicht machst, was sie wollen. - Sie halten mich in einem Lieferwagen fest. Heute früh beim Joggen ...“ Ein wischendes Geräusch unterbrach uns. Gleich darauf hörte ich die Stimme von vorher. „Jetzt wissen Sie Bescheid. Nun zum Geschäft: Wir wollen die Ladung aus Ihrem Wagen für das Leben des Türken.“ Der Fremde sprach überhaupt nicht aufgeregt. Wahrscheinlich war es nicht das erste Mal, dass er so ein Tauschgeschäft diktierte. „Johny sagt Ihnen, was Sie zu tun haben. Johny ist der Mann, der Ihnen das Telefon gegeben hat. Er wird mich anrufen, wenn alles geklappt hat. Wenn er uns bis Mitternacht kein grünes Licht gibt, werfen wir den Türken ins Wasser.“ Ich sortierte meine Gedanken. Hier auf dem Parkplatz konnten sie die Kisten nicht umladen. Sie mussten damit rechnen, dass Volny oder ein fremder Beobachter die Plünderung bemerkte und die Polizei rief. Dann hätte ihnen Sahins Entführung nichts genützt. Sie konnten ihren Coup nur in einer einsamen Gegend, abseits der geplanten Fahrstrecke, vollenden. Und für die Fahrt dorthin brauchten sie mich oder Rubens, denn nur wir beide wussten, wie der rollende Tresor – ohne Sprengstoff – zu öffnen war. „Sie haben sich die Falschen ausgesucht!“, stieß ich ins Telefon. „Der Geldtransporter ist mit modernster Elektronik ausgerüstet. Bei der geringsten Abweichung von der vorgesehenen Route ...“ „Beeindruckt mich überhaupt nicht!“, unterbrach er mit schneidendem Ton. „Wenn ich bis Mitternacht kein Okay höre, kriegen die Fische Futter!“ Ich hörte im Telefonhörer schweres Atmen. Es stammte von mir. „Das System funktioniert automatisch!“, versuchte ich es noch einmal: „Es ist nicht ohne weiteres abzuschalten!“ „Jedes Ding auf der Welt lässt sich Off stellen“, schnauzte er. „Sogar der junge Mann neben mir.“ „Wenn ich’s tue, wird die Polizei alarmiert!“, redete ich unbeirrt weiter. „Ihr Problem! Ich warte auf das Okay. – Geben Sie das Handy an Johny zurück.“ Verwirrt und hilflos folgte ich der Anweisung. Johny grinste mich an und befahl: „Sagen Sie dem Typ in dem Blechkasten da drin ...“, er zeigte auf den gepanzerten Aufbau, „... er soll rauskommen!“ Ich stieg auf den Fahrersitz und keuchte ins Mikrofon der Gegensprechanlage: „Rubens, wir werden überfallen!“ „Mann! Ich hab’s mir gerade mit dem neuesten Playboy bequem gemacht!“, maulte Rubens. „Sie haben Sahin als Geißel genommen! Die vier Millionen gegen sein Leben.“ Rubens schnaubte. „Lass die Witze!“ „Ich mach keine Witze! Wir haben Mayday! Hörst du? Mayday! – Lass deine Finger um Gottes Willen vom Alarmknopf! Falls der Überfall schief geht, bringen sie Sahin um!“ „Wer ist ‚sie’?“ „Sieht verdammt nach Profis aus! Einer steht draußen, mit dem anderen habe ich gerade telefoniert.“ „Telefoniert?“ „Der Kidnapper ...“ Rubens fluchte. „Was machen wir?“ „Mitspielen! Was bleibt uns übrig?“ Rubens Stimme klang eine Terz höher: „Du willst dich ausplündern lassen?“ „Sie wollen Sahin in die Isar werfen! Der Betonbrocken hängt schon an seinen Füßen.“ „Ist bestimmt bloß so ’ne Drohung, damit wir weiche Knie kriegen.“ „Willst du ausprobieren, wer die stärkeren Nerven hat? Oder bist du scharf auf Sahins Beerdigung? – Komm raus! Die Figur hier draußen will dich kennen lernen.“ „Das kann sie gern haben!“, zischte Rubens. Er machte sich an der inneren Verriegelung der seitlichen
Ladetür zu schaffen.
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Wird sich Rubens über die Anweisung seines Chefs hinwegsetzen und trotzdem
Widerstand leisten? Werden sich die
Plünderer und Kidnapper von Hektor Renz und seiner Mannschaft überrumpeln
lassen? Wird Sahin Türk die Entführung gut überstehen?
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