Manfred Rüster
Belletristik
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Mach mir keine schönen Augen
von Vikta Tobor
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Der Heimatabend im Gasthof Zur Gams war heute schlecht
besucht. Auch die Zimmerbelegung ist schlecht. Liegt es an
der altmodischen Einrichtung? - Maria Wagbauer beauftragt
ihre Tochter Anne, die Fremdenzimmer neu einzurichten.
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„Endlich geschafft!“, murmelte Katharina Wagbauer und ließ sich auf die Sitzbank in der Gaststube fallen. „Geh schlafen, Mama!“, riet Anne und zog sich die Arbeitsschürze an. „Die letzten Gäst sind gegangen, und zugesperrt hab ich auch schon. Ich mach noch ein bisserl Ordnung und geh dann auch ins Bett.“ Katharina Wagbauer atmete tief aus und sackte zusammen. „Ich bin viel zu aufgedreht, dass ich gleich schlafen könnt. Zuerst muss ich verschnaufen.“ Onkel Blasius, der Mann für die schweren Arbeiten, saß auf dem leeren Bierbanzen neben der Schanktheke und hielt ein Glas Weizenbier umklammert. Er sagte: „Heut war der Heimatabend schlechter besucht als das letzte Mal. Ein Tisch war ganz leer, und zwischendrin waren ein paar Stühl frei.“ „Das Wetter ist zu gut“, erklärte Katharina die leeren Plätze. „Die Feriengäst machen lange Bergwanderungen, und am Abend sind s’ zu müd für den Heimatabend.“ Vorsichtig stellte Anne ein Weinglas ins Regal. „Man darf net undankbar sein. Das Geschäft war schon schlechter. Außerdem ist der Heimatabend nur ein Zusatzgeschäft. Leben tun wir von den Fremdenzimmern.“ Katharina jammerte: „Die auch nimmer voll gelegt sind. Sogar jetzt, in der Hauptsaison, stehen vier Zimmer leer.“ Blasius nörgelte: „Weil s’ eingerichtet sind wie vor hundert Jahr! Die Gäst woll’n helle Zimmer und moderne Möbel, und net so ein altmodisches Biedermeier-Glump, wie’s bei uns rumsteht!“ „Onkel Blasi!“, mahnte Anne. „Wenn das der Papa hören tät!“ Blasius stocherte mit dem Zeigefinger in die Luft. „Der hört mich schon – dort oben! Aber tun kann er mir nix mehr! Und seine Vorträg über die wertvollen Antiquitäten brauch ich mir auch nimmer anhören!“ „Der Papa hat doch Recht gehabt!“, verteidigte Katharina ihren verstorbenen Mann. „Eine Zeit lang sind unsere Gäst grad wegen dem gemütlichen Ambiente gekommen! Da waren wir sogar außerhalb der Saison oft ausgebucht.“ Blasius nahm einen großen Schluck Bier, als wollte er sich für die folgenden Worte Mut machen. Er wischte mit dem Handrücken über den Mund und sagte: „Das ist schon lang her! In den letzten Jahren werden die Gäst immer weniger. Wennst mich fragst – wir müssen renovieren! Das alte Möbel gehört verheizt. In die Zimmer muss was Neues rein. – Heut Abend hab ich gehört, wie ein Gast zum anderen sagte, er hat in der Nacht Angst, dass ihn die Holzwürm beißen, die in den alten Möbel hausen.“ Anne duckte sich. Sie erwartete ein Donnerwetter, mit dem Mutter den Onkel zur Ordnung rufen würde. Doch sie seufzte nur und sagte: „Recht hast, Blasi! – Wir müssen renovieren.“ Anne machte große Augen. „Hab ich recht gehört, Mama? – Du willst renovieren?“ Katharina verriet ihre geheimen Gedanken: „Ich hab schon länger daran gedacht. Ich hab mich net getraut, es zu sagen, weil doch der Papa...“, sie blickte auf die Fotografie ihres verstorbenen Mannes, das an der Wand im Herrgottswinkel hing, „... an den alten Möbeln so gehangen hat. Wenn ich sag, ich will renovieren, ist das, als ob ich ihm in den Rücken fall. – Aber heut Abend hab ich mit unserem Steuerberater geredet, der auch beim Heimatabend war. Er hat gesagt, unsere Gams ist der einzige Beherbergungsbetrieb im Tal, bei dem das Geschäft von Jahr zu Jahr schlechter geht. Wenn ich alles so weiterlaufen lass wie bisher, sieht er für die nächsten Jahre schwarz.“ „Ein gescheiter Mann“, brummte Blasius. Vorsichtig fragte Anne: „Wie stellst du dir die Renovierung vor?“ Annes Mutter strich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Zuerst müssen die Fremdenzimmer hergerichtet werden. Eines nach dem anderen. Den Festsaal müssen wir vergrößern, aber das kann warten. – Wir fangen mit Nummer zwölf an. Das hat’s am nötigsten. Dann sind Nummer fünf und Nummer acht dran. Die müssen fertig sein, bevor im Dezember die Saison losgeht. Vielleicht schaffen wir noch zwei andere Zimmer. Wie’s nach der Saison weitergeht hängt davon ab, wie den Gästen die neuen Zimmer gefallen.“ „Hast dir schon ausgedacht, wie die Zimmer aussehen sollen?“, fragte Anne. „Ich hab mir nix ausgedacht und werd mir nix ausdenken!“ Katharina klaubte unsichtbare Krümel von ihrer Arbeitsschürze. „Du hast Hotelkauffrau gelernt und in modernen Hotels gearbeitet. Du weißt, wie man heutzutag Hotelzimmer einrichten muss, damit sich die Gäst wohlfühlen. Deshalb möchte ich, dass du dich darum kümmerst. Schließlich wirst du die Gams erben.“ „Aha!“, machte Anne und wischte mit dem Putztuch über den Stammtisch. „Ich hab geahnt, dass es einen Haken gibt! Der heißt: Renovierung ja – aber nur, wenn ich in Kirchwang bleib!“ Katharina sah auf. „Eine Bedingung ist das net! Aber mich tät’s arg glücklich machen, wenn du daheim bleibst!“ „Womöglich mit einem Ehemann und Kindern!“, nörgelte Anne. Katharina lächelte ihre Tochter spitzbübisch an. „Das wär perfekt! Da könnt ich meinen Großmutterinstinkt mit Leidenschaft ausleben!“ |
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